29.06.2021 | Studie: Klimawandel verändert Wasserhaushalt in der Schweiz
Der Klimawandel beeinflusst in Zukunft auch die Stromproduktion in der Schweiz. Im Winter gibt es mehr Niederschlag. Es regnet mehr als es schneit, die Schneefallgrenze steigt. Im Sommer ist es trockener und wärmer. Die Gletscher schwinden weiter. Konkret heisst das: Mehr Wasser im Winter, wenn die Stromnachfrage hoch ist, erlaubt eine höhere Stromproduktion. Im Sommer hingegen erzeugen Kraftwerke mit weniger Wasser weniger Strom.
Die Schweiz ist mit über 1400 mm Jahresniederschlag eines der wasserreichsten Länder Europas. Zusätzlich verfügt sie über grosse Wasserspeicher wie die natürlichen und künstlichen Seen, die Gletscher, die Schneedecke, den Boden und das Grundwasser. In den Schweizer Alpen entspringen die grossen Flüsse Rhein und Rhone sowie wichtige Zuflüsse zu Po und Donau.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Wassersituation in der Schweiz aus, dem Wasserschloss Europas? Diese Frage stand im Zentrum des NCCS-Forschungsprojektes Hydro-CH2018. Die Studie (siehe beiliegendes pdf) kommt zum Schluss: Die Auswirkungen sind viel grösser als bisher angenommen. Ohne Klimaschutzmassnahmen wird gegen Ende dieses Jahrhunderts im Winter im Schnitt 30 Prozent mehr Wasser in den Flüssen sein, im Sommer aber 40 Prozent weniger als bisher. Die Temperatur in Flüssen und Bächen steigt im Sommer um rund 5.5 Grad Celsius. Mit Klimaschutzmassnahmen, wie sie etwa im abgelehnten CO2-Gesetz vorgesehen waren, würden die Veränderungen moderater ausfallen, haben aber immer noch deutliche Folgen.
Die Ergebnisse des Projektes Hydro-CH2018 zeigen, dass der Klimawandel den Druck auf die Schweizer Wasserwirtschaft erhöht. Alle drei Bereiche der Wasserwirtschaft – die Wassernutzung, der Hochwasserschutz und der Gewässerschutz – sind vom Klimawandel stark betroffen. Bereits eingeleitete Massnahmen helfen, die Wasserwirtschaft auf das künftige Klima auszurichten. Weitere Anpassungen an den Klimawandel müssen folgen.
Die Veränderungen betreffen auch die Wasserkraftwerke, die heute klimafreundlich für gegen 60 Prozent der Schweizer Stromproduktion sorgen. Über das gesamte Jahr profitiert die Wasserkraft zurzeit noch von den abschmelzenden Gletschern. Auf lange Sicht werden aber die Schmelzwasserzuflüsse abnehmen. Die Rolle der Wasserkraft als Speicher für Solar-und Windstrom und zur Stabilisierung der Stromnetze wird hingegen zunehmen.
Während die Stromproduktion bei Speicherkraftwerken in gewissem Mass auf Nachfrage und Preis abgestimmt werden kann, ist sie bei Laufwasserkraftwerken vom momentanen Wasserangebot abhängig. Die Fliessgewässer werden in Zukunft im Winter mehr Wasser führen, weshalb dann insgesamt mehr Strom aus Wasserkraft produziert werden kann. Der erwartete Rückgang der Sommerabflüsse wird dazu führen, dass die Stromproduktion im Sommer kleiner ausfallen wird. Speicherkraftwerke können diese saisonalen Veränderungen durch Rückhalt von Wasser zum Teil auffangen.
Das Swiss Competence Center for Energy Research SCCER hat für elf Schweizer Laufkraftwerke untersucht, wie sich der Klimawandel auf die Stromproduktion auswirken wird (siehe Grafik oben). Bei fast allen Laufkraftwerken steigt die Winterproduktion im Vergleich zur Referenzperiode 1981 – 2010 in Zukunft an, bis Mitte Jahrhundert durchschnittlich um ungefähr 5 % unabhängig davon, ob das Szenario mit konsequentem oder ohne Klimaschutz betrachtet wird. Bis Ende des Jahrhunderts steigt dieser Wert ohne Klimaschutz auf 10 % an, während er mit Klimaschutz stabil bleibt. Die jährliche Produktion wird mit Klimaschutz unverändert bleiben oder nur leicht abnehmen. Ohne Klimaschutz werden jedoch Abnahmen um 3 % bis Mitte und um 7 % bis Ende Jahrhundert erwartet.
Ausnahmen bilden hoch gelegene alpine Kraftwerke, die auch dann noch eine Zunahme der Produktion aufweisen. Dies ist vor allem durch das Abschmelzen der Gletscher zu erklären. Von der Gletscherschmelze profitiert zurzeit auch noch die gesamte Schweizer Wasserkraft. Im Zeitraum von 1980 bis 2010 stammten 3 bis 4 % der Schweizer Wasserkraftproduktion aus der Gletscherschmelze, was ungefähr 1,0 bis 1,4 TWh pro Jahr entspricht. Der Beitrag der Gletscherschmelze wird bis Mitte Jahrhundert jedoch um 0,56 TWh pro Jahr und bis Ende des Jahrhunderts um 1 TWh pro Jahr zurückgehen.
Speicherkraftwerke sind aufgrund ihrer alpinen Lage gegenüber Naturgefahren stark exponiert. Besonders das Abschmelzen der Gletscher, die Erwärmung des Permafrostes und häufigere Starkniederschläge verschärfen die Naturgefahrensituation für die Wasserkraftanlagen in den Alpen. Je nach Speicherfüllung können sie im Hochwasserfall aber auch grosse Wassermengen zurückhalten und so zum Hochwasserschutz beitragen.
In Zukunft könnten die Ansprüche für Mehrzwecknutzung von Speicherseen z. B. für den Hochwasserrückhalt oder als Wasserressource bei Wasserknappheit steigen. Weiter ist damit zu rechnen, dass alpine Speicherseen durch zusätzlichen Sedimenteintrag schneller verlanden. Es gibt aber auch noch Potenzial, um die Speicherseen in der Schweiz auszubauen. Wo und wie, kann man hier lesen: Höhere Staumauern für mehr Winterstrom.