07.02.2024 | Adrians Assignment in Malmö
Mein Aufenthalt begann im Januar. Der warme Empfang des Teams und der Menschen in Malmö überwog bei weitem den Versuch des Wetters, mich zurück in den Süden zu schicken.
Axpo SE zählt rund 15 Mitarbeitende. Die meisten haben eine Funktion als Originator, Control-ler oder Portfolio / Operationsmanager. Erst letztes Jahr durfte das Team in ein neues, grosszügiges Büro umziehen. Es befindet sich im obersten, neunten Stock des Gebäudes. Zwar ist 9* die Zahl, die im Aufzug gewählt werden muss, im Treppenhaus jedoch reicht es, acht Stockwerke zu erklimmen um am gleichen Ort anzukommen. Deswegen das Asterisk-Symbol.
Der südliche Teil Schwedens, Skåne, ist flach. Das macht das Velofahren zwar einfach (Fahr-räder haben hier nicht mehr als drei Gänge – für windige Tage), erschwert aber die Orientie-rung. In Malmö gibt es keine natürlichen Aussichtspunkte, die einen Überblick über die Stadt verschaffen könnten. Die meisten Gebäude sind etwa gleich hoch. Einzelne Ausnahmen, wie der Wolkenkratzer Turning Torso, sind aus dem Labyrinth der Innenstadt nicht sichtbar.
Am ersten Morgen, an dem ich mit dem Velo zur Arbeit fuhr, war es dunkel, kalt, windig und verregnet. Der Menge der unbeirrten Radfahrer den gekennzeichneten Velowegen folgend, bog ich falsch ab. Ich musste eine Niederlage eingestehen, zog meine durchnässten Hand-schuhe aus und navigierte per GPS. Seit diesem Morgen bin ich ausschliesslich per Velo zur Arbeit unterwegs.
Das Büro ist nicht nur ein guter Arbeitsplatz, sondern liefert auch eine fantastische Aussicht: Die Stadt auf einer Seite, das Meer, die Øresund Brücke nach Kopenhagen und Sonnenunter-gänge auf der anderen.
Um unser Wiki zu zitieren: «Das Nordic Physical Desk handelt mit kurzfristigem Strom, ver-waltet und entwickelt die physische Strom-Wertschöpfungskette in den nordischen und balti-schen Ländern.»
Meine Aufgaben hier sind vielfältig:
Das Physical Desk arbeitet (wie vermutlich die meisten Frontdesks) mit hoher Geschwindig-keit. Von Tag zu Tag können sich Prioritäten drastisch ändern. Entweder um neuste Gelegen-heiten der Märkte zu nutzen oder um eine Katastrophe durch eine unerwartete Veränderung zu verhindern. Schnelligkeit der Entwicklung hat hier höhere Priorität als Wartbarkeit, Wie-derverwendbarkeit oder zu einem gewissen Grad sogar Korrektheit. In den meisten Fällen ist es hier besser, eine einfache Lösung zu haben, die 80% der Fälle abdeckt, als zusätzliche Zeit für einen allgemeineren, komplexeren Ansatz aufzuwenden. Bis eine allgemeine Lösung bereit stünde, ist das Zeitfester der Gelegenheit vielleicht schon vorbei.
Das steht im Gegensatz zu meinen Erfahrungen im Advanced Analytics Team. Dort verfolg-ten wir einen sehr grundlegenden, langfristen Ansatz zur Entwicklung allgemeiner Lösungen. Einen Schritt von der Front entfernt zu sein, war mir ein vorher unbekannter Luxus.
Meine Aufgaben während der ersten vier Monate bei Axpo Nordic umfassten beispielsweise die Erschliessung von Zugangspunkten zu verschiedenen Datenquellen. Es gibt massenhaft Netz-, Markt-, Wetter (, …) Daten, die den Handel von physischer Energie informieren kön-nen. Viele dieser Inputs sind Prognosen; präzisere Prognosen ermöglichen bessere Entschei-dungen.
Um unsere Prognosen zu verbessen, unterstützte ich die Überarbeitung einer Prognose von Marktkennzahlen. Zusätzlich habe ich Energie-Prognosen zu Erzeugung, Verbrauch, und Preis von verschiedenen Anbietern ausgewertet.
Des Weiteren ermittelte ich eine Erwartungsrechnung zu Frequenzbegrenzungsreserven (FCR) für bestimmte Windparks. Das Projekt will automatische Drosslung von Windparks in Echtzeit und auf Basis der Netzfrequenz anbieten. Dadurch wird die Stabilisierung des Strom-netzes bei Überproduktion / mangelnder Nachfrage unterstützt. Für einen Windpark betrach-ten wir die Echtzeit-Produktion als die maximale Abregelung. Um für die Abregelung bezahlt zu werden, muss das Gebot für die FCR-Regelung im Voraus platziert werden. Die Prognose von Windenergieproduktion wird nie der Echtzeit-Produktion entsprechen können. Es besteht immer das Risiko, dass die tatsächliche Produktion tiefer ausfällt als das entsprechende Ab-regelungs-Gebot. Trifft dies ein, kann die Abregelungs Leistung nicht vollständig erbracht werden. Es kommt zu einer Penalisierung. Ich habe diese Aufgabe als Optimierungsproblem mit einem Risikoparameter betrachtet: Für ein Zielrisiko (z.B. weniger als einmal monatlich penalisiert zu werden), was ist das maximale Volumen, dass wir zur Abregulierung bieten können?
Schliesslich - m Rahmen einer Untersuchung eines systematischen Marktmusters - konnte ich für eine Woche die Kollegen in Oslo besuchen. Dort wurde mir, wie überall in nordischen Län-dern, gesagt: «Du musst im Sommer wiederkommen!».
Und bis dahin werde ich den milden skandinavischen Frühling geniessen.