21.06.2023 | In einem Sektor arbeiten, der Teil der Lösung ist – die Perspektive einer Originatorin
Senior Originatorin Cathrine Torvestad arbeitet seit sechs Jahren im Team von Axpo Nordic in Oslo. In diesem Interview spricht sie über die entscheidende Rolle, die die Origination bei der Unterstützung der Energiewende spielt sowie über die Entwicklung ihres Werdegangs und beschreibt, wie ein Arbeitstag einer Originatorin aussieht. Mit ihren Büros in Oslo, Malmö und Helsinki gehört Axpo Nordic zu den grössten und erfolgreichsten Tochtergesellschaften von Axpo. Wir wollten deshalb von Catherine wissen, wie sie die Unternehmenskultur wahrnimmt.
Beginnen wir damit, wie Sie die Welt der Energie entdeckt haben...
Während meines Studiums an der Norwegischen Handelshochschule arbeitete ich an einem Projekt über die Gezeitenenergie mit – an einer Technologie, die mein Bruder patentieren liess. Ich war für die Geschäftsentwicklung, die Förderung des Unternehmens und den ganzheitlichen Überblick verantwortlich. Dies war für mich der erste Kontakt mit dem Energiesektor und der Grund, warum ich mich entschied, meine Masterarbeit über den nordischen Strommarkt und Stromzertifikate zu verfassen.
Dies wiederum führte dazu, dass ich in St. Gallen eine einjährige Management-Fortbildung für erneuerbare Energien absolvierte. Hier entdeckte ich, dass es sich nicht nur um einen sehr interessanten Sektor handelte, sondern auch um eine Branche, die den Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft unterstützt.
Wie kam Axpo ins Spiel?
Im Rahmen meiner Recherchen für meine Masterarbeit kam ich mit Axpo Nordic als wichtige Händlerin von Stromzertifikaten in Kontakt. So fand ich meine erste Stelle bei Axpo, eine Mutterschaftsvertretung als Risikoanalystin. Es war hochinteressant, zu sehen, was Axpo tut, und einen Insider-Einblick in die Branche zu gewinnen.
Anschliessend war ich als Consultant tätig, um meine Kenntnisse der Energiewelt zu erweitern.
Nach vier Jahren trat Axpo mit einer neuen Funktion als Originatorin an mich heran. Ich fand, dass es ein guter Zeitpunkt war, mich in ein Geschäft einzubringen, das Risiken auf dem Markt verwaltet. Als Consultant erteilt man viele Ratschläge und gibt zahlreiche Einschätzungen ab, ohne jedoch irgendwelche Markttransaktionen abzuschliessen. Und da ich das Unternehmen und die Leute, mit denen ich zusammenarbeiten würde, bereits kannte, ging ich kein grosses Risiko ein ... (lacht).
Was reizt Sie nach mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung noch immer an der Energiewelt?
Ich gehöre zu jenen, die den Klimawandel sehr ernst nehmen. Um die grösste Herausforderung unseres Lebens zu meistern, müssen wir das ganze Energiesystem revolutionieren. Deshalb finde ich es sehr bereichernd, in einer Branche zu arbeiten, die Teil der Lösung ist.
Der Energiesektor spiegelt alles wider, was in der Welt hinsichtlich Wirtschaft, Geopolitik und Innovation vor sich geht. Alle, die in dieser Branche arbeiten, sind nicht nur am Puls des Geschehens ihres lokalen Markts, sondern auch des globalen.
Es gibt viele rasante Weiterentwicklungen, neue Technologien sowie einen ständigen Bedarf nach neuen Produkten. «Business as usual» gibt es nicht. Sie müssen kreativ und flexibel sein und strategisch denken und handeln. Sie setzen Ihre Fähigkeiten ein und sehen, was dabei herauskommt. Sie arbeiten mit Kundinnen und Kunden zusammen, die Vermögenswerte schaffen, die eine enorme Auswirkung haben.
Was können Sie uns über die Kultur von Axpo Nordic sagen?
Nun ... (lacht), ich wurde für eine Stelle im Front Office eingestellt, als ich schwanger war. Ich finde, das spricht bereits Bände über den langfristigen Ansatz von Axpo Nordic bei der Talentakquise. Es war eine sehr positive Erfahrung.
Bei Axpo Nordic gibt es ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben und wir werden dazu ermutigt, darauf zu achten. Ich arbeite mit sehr wissbegierigen und klugen Leuten zusammen, und unsere Unternehmenskultur ermutigt uns dazu, Fragen zu stellen, unsere Handlungsweisen zu hinterfragen und neue Ideen zu äussern.
Was hält Sie auf Trab?
Axpo Nordic ist kein grosses Unternehmen, aber es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um Spezialisierungen und Fachwissen zu erweitern. Sie können neue Märkte und strategische Bereiche erforschen, wenn Sie der Meinung sind, dass dadurch ein Mehrwert für das Unternehmen geschaffen werden kann.
Da sich in unserem Sektor mehrere Bereiche entwickeln, arbeiten wir mit Partnern an der Lösung verschiedener Lösungen zusammen. Auch auf der Produktionsseite gibt es wegen der zunehmenden Volatilität und der Auswirkungen der neuen Energieproduktion neue Herausforderungen. Unsere Lösungen müssen deshalb diese neuen Risiken mindern und gleichzeitig die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen berücksichtigen.
Gibt es so etwas wie einen typischen Arbeitstag für eine Originatorin?
Die Arbeit folgt nicht wirklich einer Routine, und in einem gewissen Masse wird das Arbeitsprogramm durch die Kundinnen und Kunden bestimmt. Als Originatorin sind Sie die Hauptansprechperson für die Kundinnen und Kunden. Wann immer sie ihr Energieportfolio ändern oder kurzfristig Strom oder Herkunftsnachweise verkaufen oder kaufen wollen, wenden sie sich an die Orinigators.
Darüber hinaus verlassen sich Ihre Kundinnen und Kunden auf sie, was Einsichten in die Marktentwicklungen und neue Lösungen für ihre Bedürfnisse betrifft. Gute Originatorinnen verfügen über ein hervorragendes Marktverständnis. Neben unseren analytischen Fähigkeiten zeichnet uns auch unsere Kundenorientierung aus.
Schliesslich ist es wichtig, die längerfristigen Branchentrends zu verstehen. Parallel hierzu arbeitet man an längerfristigen Transaktionen und identifiziert langfristige Möglichkeiten, was bedeutet, dass man mit zahlreichen Funktionen innerhalb des Unternehmens zusammenarbeitet.
Apropos langfristige Verträge – wie wird ein langfristiger Stromabnahmevertrag (PPA) abgeschlossen?
Ein PPA kann binnen einiger Monate eingeführt werden oder aber auch Jahre in Anspruch nehmen. Für uns ist wesentlich, dass alle Beteiligten die Risiken verstehen. Deshalb werden in den Anfangsphasen viele Informationen, viel Wissen, viele Markteinblicke und -aktualisierungen ausgetauscht. Wenn man ein PPA abschliesst, geht man ein langfristiges Abkommen ein. Es ist deshalb wichtig, dass alle verstehen, was sie unterzeichnen.
Bei Axpo sind viele Funktionen daran beteiligt. Wir arbeiten eng mit dem Trading Desk zusammen, der für die Preisfestsetzung und das Risikomanagement im Zusammenhang mit einem langfristigen Abkommen von grosser Bedeutung ist. Unsere Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen physische Wertschöpfungskette, Recht, Kreditrisiko, Marktrisiko, Fusionen und Übernahmen sind für langfristige Abkommen ebenfalls unerlässlich.
Bei der Durchführung eines PPA übernimmt die Originatorin die Rolle einer «Projektmanagerin» und versucht, all diese Inputs zusammenzuführen.
Das klingt ziemlich kompliziert ...
Ich bin mir nicht sicher, ob meine Familie versteht, was ich tue (lacht). Als Originatorin jongliert man gleichzeitig mit vielen Elementen und muss in der Lage sein, seinen Schwerpunkt bei Bedarf zu verlagern.
Erfolg ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft. Wenn Sie ein gutes Marktverständnis entwickeln und bereit sind, zum richtigen Zeitpunkt zu handeln, gewährleisten Sie die bestmögliche Unterstützung Ihrer Kundinnen und Kunden, wenn diese sie benötigen.
Ist es richtig, dass Sie auch ein MBA-Studium machen?
Ja, ich habe bereits 40 % meines MBA absolviert. Ich lerne gerne neue Dinge und bin der Meinung, dass wir uns während unserer ganzen Laufbahn darum bemühen sollten.
Ich wollte einen externen Input kennenlernen, etwas über die neuesten Entwicklungen erfahren, neue Perspektiven erhalten und eine Forschungsarbeit durchführen, die mir bei meiner Arbeit als Originatorin nützlich sein kann. Darüber hinaus ist es sehr bereichernd, mit Studierenden aus anderen Branchen zu verkehren, die sich mit denselben Herausforderungen beschäftigen.
Jetzt, nach mehr als einem Jahrzehnt Berufstätigkeit, interessiere ich mich besonders für die Entscheidungsfindung und das tiefere Verständnis von Dingen. Ich finde es sehr wertvoll, dieses Wissen in einen Kontext zu stellen und zu sehen, wie es in meiner Rolle angewendet werden kann.
Das Studium verlangt mir viel Arbeit ab, vor allem vor Prüfungen, und dann denke ich manchmal: «Warum tue ich mir das an? Ist das wirklich notwendig?» (lacht). Axpo hat mir jedoch die notwendige Flexibilität für dieses Unterfangen eingeräumt und mich dabei unterstützt, ebenso wie meine Familie.
Wie entspannen Sie sich nach der Arbeit und dem Studium?
Ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie und Freunden. Ich lese gerne, liebe Filme, aber das trifft seit der Coronapandemie wahrscheinlich auf alle zu, oder? Wenn ich wirklich abschalten will, spiele ich Call of Duty auf der PS5. Dies war der Kauf meines Mannes, als ich mit dem MBA-Studium anfing. Ich habe es ausprobiert und war überrascht, wie sehr es mir Spass macht.
Erzählen Sie etwas von sich, das uns überraschen wird.
Ich habe früher einmal Schauspielunterricht genommen und ein paar Folgen einer Zeichentrickserie für Kinder synchronisiert. Das hat mich komplett aus der Geschäftsumwelt herausgeholt und mir Einblicke in eine sehr kreative Branche verschafft, die sich völlig von dem unterscheidet, was ich tue. Einer meiner damaligen Schauspielkollegen spielt nun in einer beliebten Netflix-Serie.
Cathrine Torvestad
Cathrine Torvestad (37) studierte an der Norwegischen Handelshochschule (NHH) in Oslo Wirtschaft und Finanzen. Anschliessend absolvierte sie eine Management-Fortbildung für erneuerbare Energien an der Universität St. Gallen, Schweiz. Catherine gehört zu den Mitbegründern des Gezeitenenergie-Projekts Aqua Energy Solution. Sie begann ihre Karriere als Risikoanalystin bei Axpo Nordic, bevor Sie als Consultantin für Pöyry Management Consulting tätig war. 2017 kam sie als Originatorin zu Axpo Nordic zurück. Derzeit absolviert sie ein MBA-Studium an der NHH.
Zum LinkedIN-Profil von Cathrine Torvestad.
Axpo Nordic
Axpo Nordic ist Teil der Axpo Gruppe, des grössten Energieunternehmens der Schweiz. Die hundertprozentige Tochtergesellschaft wurde 2003 für die nordeuropäischen Märkte und die Region Baltikum gegründet. Der Fokus der Geschäftsaktivitäten in den Nordics liegt auf der langfristigen Stromversorgung und auf Abnahmeverträgen. Zusätzlich zum PPA-Geschäft entwickelt Axpo Nordic massgeschneiderte Produkte und damit verbundene Dienstleistungen für seine Kunden, zu denen Detailhandel, Industrie und produzierendes Gewerbe zählen. Die Geschäftsaktivitäten in den Nordics sind Teil der Strategie der Axpo, ihre internationale Präsenz und ihr Geschäft der Spezialisierung auf massgeschneiderte Energielösungen auszubauen.