22.05.2018 | Die Herausforderungen der Windbranche
Axpo macht Wind und muss sich mit der Tochtergesellschaft Volkswind auch den politischen Rahmenbedingungen stellen. Welchen Stellenwert Onshore-Windauktionen haben und wie sich das Windgeschäft heute und morgen wandelt, verrät Katja Stommel, CEO Volkswind GmbH, im Interview.
Katja Stommel, 2.5 Jahre sind es bereits her, seit Axpo die Volkswind GmbH gekauft hat. 2.5 Jahre entwickeln und betreiben Sie Windparks unter dem Dach von Axpo. Sie sind der Kopf der Tochtergesellschaft. Wie geht es Ihnen?
Immer noch gut [lacht].
Über 60 Windparks mit 700 MW Leistung gehören in Ihr Portfolio. Alleine 2017 haben Sie mit Volkswind 35 Windanlagen auf 6 Windparks mit einer installierten Gesamtleistung von 88 MW in Betrieb genommen. Was ist konkret im Jahr 2018 geplant?
Im März haben wir in der Region Hauts-de-France (F) einen neuen Windpark mit 18 MW eröffnet. Vier weitere Parks befinden sich in Frankreich im Bau und werden bis Ende Jahr abgeschlossen. Insgesamt gehen bis Ende 2018 64 MW ans Netz. Zudem starten wir dieses Jahr mit dem Bau von fünf weiteren Windparks Kurz: 5 Windparks mit 26 Anlagen gehen 2018 ans Netz und bei 5 Windparks mit 41 Anlagen und 102 MW beginnen wir mit dem Bau.
Mit Blick in die Zukunft – wo wird künftig gebaut und welche Leistung ist vorgesehen?
Wir machen, so viel wie möglich ist. Leider sind wir dabei nicht immer so frei, wie wir das wünschten. Externe Faktoren haben einen grossen Einfluss auf unsere Planung: Baugenehmigungen, Netzanschlüsse, Lieferanten – von diesen Faktoren sind wir im Daily Business abhängig. Was neu dazu kommt, sind die Auktionen. Diese dürfen wir nicht unterschätzen. Um daran teilzunehmen, brauchen wir in den meisten Fällen eine Baugenehmigung. Bevor wir überhaupt an der Ausschreibung teilnehmen können, fallen bei uns bereits Planungs- und Genehmigungskosten an. Ich investiere also in ein Projekt, bei dem ich nicht weiss, ob es sich am Ende des Tages lohnt.
«Auktionen dürfen wir nicht unterschätzen: ich investiere dabei in ein Projekt, bei dem ich nicht weiss, ob es sich am Ende des Tages lohnt.»Katja Stommel, CEO Volkswind GmbH
Auch in Frankreich werden neu Onshore-Windauktionen durchgeführt. Die erste wurde um über 500 MW überzeichnet. Was bedeuten solche Auktionen für die Branche?
Genau, in Frankreich findet dieses Jahr zum ersten Mal eine Auktion statt. In Deutschland sind wir schon beim zweiten Jahr. Dort war das erste Jahr ein absolutes Desaster.
Vor der Zeit der Auktionen hatten alle fertigen Windparks ein Recht auf Netzanschluss und gesetzlich festgelegte Einspeisevergütung. Seit 2017 haben allerdings politische Regulierungen die jährliche Ausbaumenge von Windenergie für Onshore in einem Gesetz neu geregelt. Damit soll es mehr Wettbewerb geben und die Kosten sollen gesenkt werden: Nur die günstigsten Angebote sollen ab 2017 bei Auktionen einen Zuschlag erhalten. Im Gesetz wurde allerdings für Bürgerbeteiligungen eine Spezialregelung definiert, um ihnen neben etablierten Windriesen eine Chance zu lassen. Sie durften bei den ersten Auktionen ohne Baugenehmigung teilnehmen und bekamen das höchste Gebot als Einspeisetarif, unabhängig von ihrem abgegebenen Gebot. Bei einem Zuschlag muss die Errichtung des Windparks innerhalb von fünf statt drei Jahren erfolgen.
Das klingt ja noch harmlos. Wo liegt denn das Problem?
Professionelle Windparkhersteller haben sich mit „Schein-Bürgerwindparks“ beworben und führten so zur Wettbewerbsverzerrung. Diese Gesetzeslücke viel zum Glück auf. Das Problem ist, dass solche Bürgergesellschaften ohne Baugenehmigung mitbieten durften. Innerhalb der definierten Frist die nötigen Baugenehmigungen zu erlangen, ist sehr schwierig und unwahrscheinlich. Windparks können deshalb am Ende vielleicht gar nicht realisiert werden. Der Windenergie könnte dadurch in Deutschland in den kommenden Jahren eine Flaute drohen.
Solche Auktionen sind und bleiben aber Tatsache. Wie sehen Sie die Zukunft?
Die Anforderungen an die Ausschreibung haben sich zum Glück geändert: Ab dem zweiten Ausschreibungsjahr in Deutschland sind zusätzlich gesetzlich geregelte Baugenehmigungen notwendig. Nur wer diese in der Tasche hat, darf an der Auktion teilnehmen.
Volkswind gehört zu den Gewinnerinnen von Zuschlägen in Frankreich. Was bedeuten sie für Volkswind?
Wir befinden uns damit immer auf einer Gradwanderung: die Abklärungen im Vorfeld von Auktionen müssen kostengünstig und planmässig sein und gleichzeitig muss die Qualität hochgehalten werden. Bei den zwei Zuschlägen, die wir in der Auktion in Frankreich erhalten haben, können sich die Projekte aufgrund von Wiederspruch um ca. 6-7 Jahre verzögern. Wenn die Gesetzesgrundlage aber bleibt, wie sie zurzeit ist, haben wir bei beiden Windparks für 20 Jahre einen Einspeisetarif.
Wie gross ist der Einfluss von solchen Onshore-Auktionen Ihrer Meinung nach auf die Kostensenkungen bei der Windenergie?
Kurzfristig werden die Preise sinken, langfristig aber nicht. Viele Entwickler werden in den kommenden Jahren auf der Strecke bleiben, da sie ihre Initialkosten ohne genügende Zuschläge nicht decken können. Niemand baut auf die Dauer Windparks, ohne daran etwas zu verdienen. Die Preise gehen nach einer gründlichen Marktbereinigung der Akteure irgendwann wieder nach oben.
«Niemand baut auf die Dauer Windparks, ohne daran etwas zu verdienen.»Katja Stommel, CEO Volkswind GmbH
Die Gestehungskosten für Strom aus erneuerbaren Energien sinken kontinuierlich, so auch die Kosten der Windenergieanlagen. Wie wirkt sich dieser Trend auf Volkswind aus?
Die Gestehungskosten sinken in der Tat. Dabei gilt: Der Ertrag aus einer Windkraftanlage steigt quadratisch zum Rotorumfang. Je grösser die Rotorblätter sind, desto mehr können wir ernten. Vor drei Jahrzehnten waren die Maschinen von 30 kW Leistung bei 30 Meter Gesamthöhe, heute haben sie Onshore eine Gesamthöhe von bis zu 200 Metern und leisten bis 6 MW. Das ist eine andere Dimension.
Und wie wirkt sich das im Bau von Windkraftanlagen aus?
Die Challenge steckt im Transport: Rotorblätter müssen noch immer um die Kurven kommen und das wird mit zunehmender Grösse anspruchsvoller. In den Ländern bestehen zusätzliche Maximalgrösse der Anlagen: in Frankreich dürfen Windkraftanlagen aktuell maximal 180 Meter hoch sein, in Deutschland maximal 200 Meter. Theoretisch könnten wir aber grösser bauen.
Ein globaler Trend ist die Digitalisierung. Diese hält in allen Branchen Einzug und kommt oft schneller, als wir mithalten können. Wie digital funktioniert das Windgeschäft bereits?
In der Windenergiebranche ist ein Grossteil bereits digitalisiert. Jede Anlage hat bei Volkswind zwei Systeme, die die Windkraftanlage permanent überprüft. Fehlermeldungen werden direkt auf die Smartphones der Servicetechniker weitergeleitet. Alle Daten zu den Anlagen, sprich Temperatur, Windgeschwindigkeiten etc. können online abgeprüft werden. Jede Windkraftanlage füttert eine riesige Datenbank. Dieser Trend fand schon vor Jahren Einzug in die Branche.
Katja Stommel stammt aus Bünde, Westfahlen. Sie ist seit Mitte Oktober 2015 CEO der Volkswind GmbH. Katja Stommel gehört zu den Gründerinnen des Windparkentwickler. Sie lebt in Ganderkesee, ist verheiratet und Mutter von zwei Söhnen, 13 und 17.
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