19.09.2023 | Die Strompreise in der Grundversorgung steigen an
Die ElCom hat Anfang September die von den Verteilnetzbetreiberinnen gemeldeten Strompreise für Haushalte in der Grundversorgung kommuniziert. Bereits zum zweiten Mal in Folge steigen diese substanziell an, wobei erhebliche Unterschiede zwischen Versorgern bestehen. Doch was sind die Hintergründe für diese Unterschiede? Die Antwort findet sich im gegenwärtigen regulatorischen Rahmen. Ein Weg vorwärts wäre, den Schweizer Strommarkt vollständig zu öffnen.
Die ElCom hat am 5. September darüber informiert, dass die Strompreise 2024 in der Grundversorgung für Haushalte im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 18 Prozent ansteigen werden. Dies ist bereits der zweite substanzielle Anstieg, nachdem die Preise im Jahr 2023 um durchschnittlich 27 Prozent angestiegen waren. Zwischen den Verteilnetzbetreiberinnen gibt es aber beträchtliche Unterschiede, manche haben die Tarife kaum erhöht, andere gar vervielfacht.
Der VSE hat jüngst in einem Beitrag die Zusammensetzung der Strompreistarife, die Gründe für deren Anstiege und die fehlende Verbindung mit Gewinnen der Stromunternehmen erklärt. Um die Zusammenhänge und die Unterschiede zwischen den Versorger noch besser zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick auf den regulatorischen Rahmen.
Haushalte in der Schweiz können von Gesetzes wegen ihren Stromversorger nicht frei wählen, sondern werden von ihrer lokalen Verteilnetzbetreiberin versorgt. Sie sind in der sog. Grundversorgung gebunden und ihre Strompreise (resp. Stromtarife) streng reguliert. Um den Stromtarif zu bestimmen, weist die jeweilige Verteilnetzbetreiberin – vereinfacht gesagt - ihre Gesamtkosten aus und berechnet auf Basis der an die Grundversorgung gelieferten Strommenge die entsprechenden Tarife. Welche Kosten anrechenbar sind, ist dabei klar vorgegeben und wird von der ElCom geprüft.
Verteilnetzbetreiberinnen beliefern aber meist nicht nur Verbraucher im Monopolbereich, sondern auch Grossverbraucher im freien Markt. Es braucht folglich eine Regelung zur Aufteilung der Kosten auf die beiden Kundensegmente. Hier gibt die ElCom regulatorisch die sog. Durchschnittspreismethode vor. Mit dieser Methode werden die Beschaffungskosten und die Gestehungskosten der Eigenproduktion der Verteilnetzbetreiberin anteilsmässig auf die Grundversorgung aufgeteilt. Liefert sie beispielweise 60% der Energie an die Grundversorgung und 40% an den freien Markt, so werden sowohl alle Beschaffungskosten als auch alle Gestehungskosten der Eigenproduktion zu 60% der Grundversorgung zugeteilt. Seit 2018 haben die Verteilnetzbetreiberinnen davon abweichend gesetzlich die Möglichkeit – aber nicht die Pflicht – auch einen höheren Anteil der erneuerbaren einheimischen Eigenproduktion in der Grundversorgung einzurechnen; der Anteil der Beschaffungen reduziert sich dann im entsprechenden Umfang.
Keine Vorgaben gibt es hingegen dafür, mit welcher Strategie die Verteilnetzbetreiberinnen die Strommenge für die Grundversorgung beschaffen. Mit dem bis zu zwanzigfachen Anstieg der Grosshandels-Strompreise letztes Jahr ist die Beschaffungsstrategie als wichtiger Aspekt in den Fokus gerückt. Hatte ein Versorger bereits langfristig den Strom beschafft, so konnte er seine Kosten – und damit die Stromtarife – tief halten. Bei einem Versorger hingegen, der sich jeweils kurzfristig eindeckt, führten die Preisansteige zu entsprechend hohen Beschaffungskosten. Im regulierten Bereich steigen dann folglich die Stromtarife.
Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Eigenproduktion der Verteilnetzbetreiberin. Die Gestehungskosten der Eigenproduktion finden – wie oben beschrieben – anteilsmässig Einzug in die Kosten für die Endverbraucher. Sie reduzieren damit die Abhängigkeit der Tarife von den Beschaffungsstrategien. Allerdings können auch die Gestehungskosten schwanken, zum einen direkt durch die Kosten der Beschaffung von Pumpenergie bei Wasserkraftwerken, zum anderen bei reduzierter Verfügbarkeit der Anlagen (z.B. Ausfällen oder wenig Niederschlag).
Die Preissteigerungen zeigen auf, dass die Grundversorgung die Endverbraucher nicht grundsätzlich vor hohen Stromkosten schützt. Die Verbraucher sind zwar nicht unmittelbar den Grosshandelspreisen ausgesetzt, die Preisanstiege schlagen sich aber je nach Beschaffungsstrategie des Versorgers trotzdem auf sie durch. Die direkte Wirkung einer regulierten Grundversorgung ist einzig eine Verzögerung: da die Tarife jeweils im Vorfeld definiert und über ein Jahr fixiert sind, zeigen sich höhere Kosten erst in den zukünftigen Tarifen. Die Verteilnetzbetreiberinnen bilden in diesem Fall Unterdeckungen, die innerhalb drei Jahren abgebaut werden müssen.
Vor kurzfristigen Strompreisspitzen schützen insbesondere eine langfristige Beschaffungsstrategie oder die Eigenproduktion des Versorgers. Aufgrund der aktuell fehlenden vollständigen Marktöffnung ist es für die gebundenen Verbraucher allerdings nicht möglich, Einfluss auf die Beschaffungsstrategie der Verteilnetzbetreiberin zu nehmen, respektive einen anderen Versorger zu wählen, dessen Beschaffungsstrategie dem eigenen Risikoprofil entspricht.
Grossverbraucher im freien Markt können bereits heute auf verschiedene Marktinstrumente und -produkte zugreifen, um sich gegen zukünftige Preisspitzen abzusichern. Ein Weg vorwärts wäre, den Schweizer Strommarkt vollständig zu öffnen, um auch den kleineren Verbrauchern eine entsprechende Wahl zu ermöglichen. Das Parlament, welches in der Herbstsession voraussichtlich den sog. Mantelerlass abschliessen wird, scheint davon im Moment absehen zu wollen und hat die Marktöffnung aus der Vorlage gestrichen. Als Alternative steht zur Diskussion, dass Verteilnetzbetreiberinnen den Strom für die Grundversorgung zu einem Mindestanteil mit langfristigen Verträgen beschaffen müssen.
Ungeachtet des Vorgehens ist für die zukünftige Preisstabilität der Schweizer Verbraucher auch entscheidend, dass der Zubau erneuerbarer Energien im Inland massgeblich beschleunigt wird. Dafür müssen insbesondere die Bewilligungsverfahren für Grossanlagen beschleunigt werden. Je mehr das Importvolumen zukünftig ansteigt, desto höher ist die Abhängigkeit von europäischen (Preis-)Entwicklungen.
Dabei sollte der Fokus aber auch nicht zu einseitig auf die Dämpfung von Preisspitzen gelegt werden. Für die Stromkosten der Haushalte ist auch das Preisniveau entscheidend. Damit dieses tief gehalten werden kann, müssen möglichst effiziente resp. kostengünstige Anlagen zugebaut werden. Ebenfalls ist wichtig, dass die Strompreise der Haushalte nicht vollständig statisch resp. von den Marktsignalen entkoppelt sind. Sonst fehlen die Anreize, das Verbrauchprofil dem Produktionsprofil erneuerbarer Energien anzupassen und die Verbrauchseffizienz zu steigern. Um die Energiewende möglichst kostengünstig zu meistern, sind schlussendlich Märkte, Marktsignale und wettbewerbliche Instrumente weiterhin die beste Lösung.
Axpo verkaufte resp. verkauft ihrer Stromproduktion über Langfristverträge an interessierte Versorger und Grossverbraucher. Versorger, die in der Vergangenheit mit Axpo Langfristverträge abgeschlossen hatten, haben trotz der stark angestiegenen Grosshandelspreise günstigen Strom von Axpo erhalten und konnten die Beschaffungskosten entsprechend tief halten. Die verbleibende Schweizer Stromproduktion hatte Axpo grösstenteils über die Strombörsen preislich abgesichert. Da die Absicherung zum tiefen Preisniveau vor der Krise erfolgte, konnte Axpo für diesen Strom keine hohen Grosshandelspreise resp. Gewinne realisieren. Als Folge der Absicherung haben gleichzeitig aber die entsprechenden Gegenparteien - und damit indirekt weitere Verbraucher - von günstigem Strom profitiert.
Konkret hatte Axpo in der ersten Hälfte des aktuellen Geschäftsjahres ihren Strom aus den Schweizer Kraftwerken, als Folge der Absicherung vor drei Jahren, zu durchschnittlich 8 Rappen pro kWh verkauft und konnte in diesem Bereich nur geringfügig von den höheren Strompreisen profitieren (vgl. Kommunikation Halbjahresergebnisse).
Die Tochtergesellschaft CKW, welche gebundene Endverbraucher versorgt, hat am 21. August ihre Stromtarife für 2024 kommuniziert. Die Kosten für Netz und Energie konnten dank der eigenen Kraftwerke und leicht tieferen Beschaffungskosten im Vergleich zum Vorjahr stabil gehalten werden. Eine geringfügige Kostensteigerung für die Verbraucher ergibt sich durch die höheren Tarife von Swissgrid für das Übertragungsnetz und die vom Bund geschaffene Winterreserve.