14.09.2023 | EU-Parlament verabschiedet Revision der Richtlinie "Erneuerbare Energien"
Am 12. September 2023 hat das Europäische Parlament die Trilog-Vereinbarung mit den EU-Mitgliedstaaten über die Richtlinie über erneuerbare Energien (RED) angenommen. Es wird erwartet, dass die EU-Minister noch in diesem Jahr nachziehen und ebenfalls die Einigung formell annehmen; damit käme ein dreijährige Gesetzgebungsprozess zum Abschluss. Die RED ist Teil des Fit-for-55-Pakets, das darauf abzielt, die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um mindestens 55 % zu senken – verglichen mit 1990.
42,5 % erneuerbare Energien bis 2030
Die Europäische Union will den Anteil der erneuerbaren Energien (EE) bis 2030 deutlich erhöhen. Nach der Überarbeitung der RED soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch bis 2030 42,5 % betragen. Das Ziel von 42,5 % ersetzt das derzeitige EU-Ziel für den Anteil der erneuerbaren Energien von 32 % bis 2030.
650 GW zusätzliche Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien
Die Abstimmung über die RED wurde mit einer grossen Mehrheit der Abgeordneten (470 dafür, 120 dagegen) angenommen. Während der Trilog-Verhandlungen hatten sich die Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments und des Rates auf ein verbindliches Ziel von 42,5 % erneuerbarer Energien bis 2030 geeinigt (Anteil am Endenergieverbrauchs der EU), wobei zusätzliche 2,5 % als unverbindliche Wunschziel in der Richtlinie aufgenommen wurden; damit beläuft sich das Gesamtziel auf 45 %. Dies stellt eine erhebliche Steigerung des heutigen Anteils an erneuerbaren Energien dar und würde nach Angaben des europäischen Elektrizitätsverbands Eurelectric zu einer zusätzlichen erneuerbare-Energien-Kapazität von etwa 650 GW führen.
Sektorspezifische Ziele
Im Rahmen der Überarbeitung wurden verschiedene sektorspezifische Ziele, z. B. für Verkehr, Industrie, Gebäude sowie Heizen & Kühlen in der RED aufgenommen. Dies könnte zu Nachfragesteigerungen aus Industriezweigen führen, die das Thema erneuerbare Energien bislang ignoriert haben.
Schleppende Genehmigungsverfahren
Das grösste Hindernis für den Ausbau erneuerbarer Energien in der EU sind weiterhin langwierige Genehmigungsverfahren. Um dieses zu überwinden, wird mit der RED ein neuer Genehmigungsrahmen eingeführt, wonach Projektentwickler Anspruch auf eine Entscheidung innerhalb von 12 Monaten haben, wenn ihr Projekt in einem sogenannten EE-Beschleunigungsgebiet («RES Acceleration Area «) liegt (24 Monate für Offshore-Projekte für erneuerbare Energien), oder innerhalb von 24 Monaten (36 Monate für Offshore-Projekte für erneuerbare Energien), wenn es ausserhalb eines EE-Beschleunigungsgebiets liegt. Diese Regeln gelten auch für Netze und Speicheranlagen, wenn sie in einem "Infrastrukturgebiet" («infrastructure area») liegen. Ausserdem muss im Rahmen von Genehmigungsverfahren das "überwiegende öffentliche Interesse" an EE-Anlagen so lange angenommen werden, bis die EU klimaneutral ist. Ein weiterer Paradigmenwechsel ist die Einführung des Konzepts, dass Schweigen der Verwaltung einer Genehmigungserteilung entspricht (“administrative positive silence”); dies gilt jedoch nur für PV-Kleinstanlagen.
Andere Massnahmen
Die Nachhaltigkeitskriterien für die Wasserkraft wurden überarbeitet, um deren Betrieb und weiteren Ausbau nicht zusätzlich zu belasten, und es wurden neue Vorschriften für Biomasse erlassen. Darüber hinaus wird die Rolle der Herkunftsnachweise (GoOs) in der EU gestärkt.
Was die Umsetzung der RED auf nationaler Ebene betrifft, so müssen die EU-Mitgliedstaaten einen Rahmen für die alsbaldige EE-Zielerreichung schaffen. Dieser Rahmen muss unter anderem der Einführung von Stromabnahmeverträgen für erneuerbare Energien (renewable Power Purchase Agreements) förderlich sein.
Das weitere Vorgehen
Es wird erwartet, dass die EU-Minister den endgültigen Text der RED auf einer ihrer nächsten Ratssitzungen formal annehmen. Im Anschluss daran wird die RED im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die meisten Umsetzungsprozesse müssen 18 Monate nach der Veröffentlichung der RED im EU-Amtsblatt abgeschlossen sein; eine Ausnahme bilden die beschleunigten Genehmigungsverfahren, die bereits ab dem 1. Juli 2024 gelten sollen.
Herausforderungen
Abgesehen von den bestehenden Herausforderungen im Zusammenhang mit den schleppenden Genehmigungsverfahren, haben die rückwirkenden Markteingriffe – ausgelöst durch steigende Energiepreise - dem Investitionsklima in der EU grossen Schaden zugefügt. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, die Markteingriffe umgehend zu beenden – dies gilt insbesondere für die Gewinnobergrenzen in bestimmten EU-Mitgliedsstaaten. Zudem muss im Rahmen der laufenden Reform des EU-Strommarktdesigns sichergestellt werden, dass solche (rückwirkenden) Markteingriffe zukünftig nur noch in eng definierten Ausnahmefällen möglich sind. Der Vertrauensverlust der Investoren schadet nicht nur den EE-Investitionen selbst, sondern auch der Entwicklung der notwendigen Flexibilität, z.B. durch Speicher, und dem erforderlichen Ausbau des Stromnetzes. Wie in einem früheren Artikel dargelegt, muss die EU weiter die strategische Herausforderung steigender Rohstoffkosten und (geopolitischer) Engpässe entlang der Wertschöpfungskette bewältigen, um ihre EE-Ziele rechtzeitig zu erreichen.
Wortlaut der im Plenum des Europäischen Parlaments verabschiedeten RED: