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13.06.2021 | Christoph Brand über die öffentliche Debatte

«Sechs Wünsche für die Energiedebatte»

Nicht erst mit der Diskussion um das CO2-Gesetz wird intensiv über die Energiewende im Kontext der Klimaerwärmung diskutiert. Leider wird diese wichtige Debatte durch bestimmte Aspekte unnötig erschwert. An dieser Stelle möchte ich versuchen, sechs dieser Aspekte im Sinne eines Veränderungswunsches zu beleuchten.

Erstens: keine Entweder-oder-Positionen

Die Energiewende kann nur im Zusammenspiel von verschiedenen Technologien gelingen, und keine ist alleine die Lösung. Unter einer Nebeldecke oder nachts nützen Photovoltaik-Anlagen nichts. Wind gibt es im Winter eher mehr als im Sommer, aber das wird uns in der Schweiz wenig nützen, weil es wenig Potenzial für Windenergie gibt. Gaskraftwerke produzieren CO2, aber könnten in heiklen Situationen Versorgungsengpässe überbrücken. Allzu oft werden in der Diskussion von Befürwortern und Gegnern gewisser Technologien nur jeweils die Vor- oder nur die Nachteile aufgeführt, was nicht zielführend ist.

Zweitens: mehr Güterabwägung und weniger Partikularinteressenoptimierung

Ein Paradebeispiel ist die Wasserkraft. CO2-frei, erneuerbar, lokal vorhanden, ist sie dennoch grossen Widerständen und eben Partikularinteressen ausgesetzt. Jeglicher Ausbau auch von bestehenden Anlagen wird von Umweltverbänden bekämpft, die oft ausschliesslich ihre Interessen vertreten, aber keine Gesamtsicht einnehmen. Die Erneuerungsinvestitionen werden faktisch verhindert, indem die international einmalig hohen Wasserzinsen für wenige zulasten von allen aufrecht erhalten werden. Im Kleinen wird jedes Windprojekt bis aufs Äusserste bekämpft. Überall gilt: Kompromisse sollen immer die anderen machen.

Drittens: mehr Kosten-/Nutzendiskussionen

Wenn lokale Klientelpolitik dazu führt, dass wie in einem Fall in Deutschland pro Tonne verhindertes CO2 über 30'000 Euro bezahlt werden, ist das absurd und schädlich, denn Geld ist eben eine knappe Ressource. Es steht ausser Frage, dass reines Trittbrettfahren («die Schweiz macht ja nichts aus im globalen CO2-Ausstoss, daher müssen wir auch nichts tun») schon nur aus ethischen Überlegungen nicht in Frage kommt. Aber das heisst nicht, dass jede ökonomische Vernunft über Bord geworfen werden kann und ungeachtet der Kosten zwingend lokal CO2 verhindert werden muss, während dieselben Gelder, in seriöse Projekte im Ausland investiert, dem Weltklima viel mehr helfen würden.

Viertens: mehr Transparenz

Zurecht wird viel mit Modellen gearbeitet, welche die Zukunft beschreiben. Aber abgesehen von den Mechanismen sind die Annahmen zentral. Der Stromverbrauch in der der Schweiz wird steigen, das anerkennt jetzt auch das BFE. Aber der Pro-Kopf-Verbrauch soll nicht steigen. Eine zentrale Annahme, wenn man genau hinsieht: Wasserstoff, dessen Produktion viel Strom absorbiert, wird ausschliesslich importiert. Ist das realistisch, ist es sinnvoll, ist es gewollt? Anderes Beispiel: Es wird in den Energieperspektiven davon ausgegangen, dass wir vorübergehend jährlich 17 TWh Strom importieren müssen (heute verbraucht die Schweiz ca. 60 TWh). Die Annahme dahinter ist, dass die anderen Länder auch exportieren können. Nun geht man aber davon aus, dass Deutschland ein Importland werden wird, Italien ist es ohnehin, und Frankreich steuert auch in diese Richtung. Wie passt das zusammen?

Fünftens: weniger Ideologie, mehr Pragmatismus

Es gibt überhaupt keinen Grund, die Produktionsprofile von Photovoltaik unter dem Titel «Flatterstrom» zu dämonisieren. Die Vor- und Nachteile der diversen Energiearten sind bekannt, aber dennoch sollten wir mit dem grossflächigen Bau von PV-Anlagen auf allen möglichen Dächern einfach vorwärts machen. Das ist, was man so schön als «no-regret-move» bezeichnet. Völlig ideologisiert ist auch die Diskussion um Kernkraft, primär im deutschsprachigen Raum. Nüchtern betrachtet kann man festhalten: Gemessen an den Anzahl Toten pro produzierter MWh Strom ist die Kernkraft in einer ähnlichen Sicherheitsliga wie Wind und Photovoltaik. Aber die Kosten dafür sind viel zu hoch, zumindest in Westeuropa, und zumindest aktuell. Letztes Beispiel betrifft die Rolle des Staats. Dieser ist weder der Heilsbringer, der alle Probleme löst, noch ist er nur ein zu eliminierender Kostenfaktor. Für die Lösung von Problemen der Allgemeinheit wie dem Klimawandel braucht es staatliche Regeln wie eine CO2-Steuer. Aber der Staat sollte sich eben auch nicht als Unternehmer versuchen, sondern bei der Regulierung die wenigen, grossen, wirksamen Linien priorisieren anstatt im Mikromanagement jede Innovation zu ersticken.

Sechstens: gute Gesprächskultur

Diese beginnt bei Sachlichkeit, führt über gegenseitigen Respekt zu Ehrlichkeit, bleibt immer freundlich, setzt den Willen voraus, die eigenen Meinungen auf der Basis von Evidenz zu revidieren, hat das Ziel, eine Lösung zu finden und sollte nie in politische Spielchen abdriften, denn gemäss Hubert H. Humphrey gilt: «Irren ist menschlich. Jemand anderen dafür verantwortlich zu machen ist Politik.»

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